Konflikte am Arbeitsplatz: Mit sich selbst klarmachen oder den Konflikt nach außen tragen?

Wer kennt die Situation nicht? Man bzw. Frau würde eine/n bestimmte/n Kollegen/in am liebsten „zum Mond schießen“. Was hat er/sie sich da schon wieder erlaubt, in dieser Besprechung oder in dieser E-Mail-Korrespondenz, unerhört! – Und dabei weiß der auch noch ganz genau, dass er da komplett gegen meine Interessen gesprochen und gehandelt hat!

Es folgt unweigerlich ein Gefühl der langsam in einem aufsteigenden Aggression, da im Besprechungszimmer oder beim Nachdenken am eigenen Schreibtisch vor dem PC und der übermächtig werdende Wunsch, nun sofort etwas zu unternehmen, dem/der „KonfliktpartnerIn“ nun einfach und ein für alle Mal die Meinung ins Gesicht zu sagen …

Doch dann ist das kontrollierende Teufelchen auf der eigenen Schulter, der „innere Zensor“ sofort zur Stelle und flüstert dem/der Wütenden ein, wie unklug das jetzt wäre, wie bloßstellend, wie schlichtweg peinlich und ungeschickt. Und trotzdem, man möchte etwas unternehmen, sich „Genugtuung verschaffen“, sich wehren – aber eben definitiv nicht gleich unbedacht losbrüllen, „kindisch werden“. Doch wie kontrolliert man seine negativen Impulse, reguliert die „dunkle Seite des Selbst“ hier im Arbeitsumfeld, wo man sich nun mal nicht so leicht „gehen lassen“ kann, wie unter Umständen im Privatleben? – Wo doch eine „glatte Fassade“ in den meisten Unternehmen immer noch als professionellste Strategie im Umgang mit anderen gilt, der eigenen Karriere am förderlichsten. Der Wunsch, sich unmittelbare emotionale Erleichterung vom Ärger mit dem/der Kollegen/in durch aggressives Auftreten zu verschaffen und so die eigenen Interessen und schließlich ultimativ den eigenen Selbstwert unmittelbar zu waren, steht also psychologisch im Konflikt mit dem Wunsch, sich beruflich korrekt und professionell zu verhalten.

Eine aktuelle Studie, die die sogenannte „Konflikt-Monitoring-Theorie“ als Basis ihrer Forschung benutzt, hilft nun dabei, zu klären, wann es am ratsamsten bzw. am effizientesten ist, einen solchen Konflikt inmitten einer feindlichen, provozierenden Situation rein innerlich zu verarbeiten, also die „glatte Fassade“ zu waren. Das hängt laut der Konflikt-Monitoring-Theorie hauptsächlich mit den persönlichen psychologischen Voraussetzungen der Konfliktparteien zusammen: Das Ausleben der konträren Eigenschaften „Ärger und Agression“ versus „Vergebensfähigkeit“ inmitten von hochemotionalen Konfliktsituationen ist bei jedem Menschen eindeutig messbar und individuell unterschiedlich stark ausgeprägt, so das Ergebnis der Studie. Wenn jemand eine hohe Vergebensfähigkeit aufweist, dann gelingt es ihm leichter, seinen Ärger bewusst zu kontrollieren – und natürlich auch umgekehrt, sehr aggressiven Menschen fällt das Vergeben oft viel zu schwer. Vergebensfähigkeit wird hierbei von der Theorie als ein Prozess gesehen, der mit der Entscheidung beginnt, dem provozierenden Konfliktpartner zu vergeben und beendet ist, wenn man schließlich auch das im Zusammenhang mit dem Konflikt entstandene Gefühl von Wut hinter sich lassen konnte. Manchen Menschen geht dieser Prozess nun also leicht von der Hand und sie schaffen es, den Konflikt bewusst innerlich gut zu verarbeiten – ein Vorgehen, das die Psychologie „kognitive Regulation“ nennt. Andere kommen aber mit dieser Form von innerer Regulation einfach nicht zurande, empfinden sie als nicht ziel führend und insgesamt viel zu frustrierend, um sie einsetzen zu können. – Und nicht umsonst sagt ja auch eine alte Volksweisheit – die im Lichte der Konflikt-Monitoring-Theorie scheinbar genau auf die Gruppe der nicht-kognitiv-regulierten Menschen gemünzt scheint –dass das „Hineinfressen von Ärger“ selten zu positiven Ergebnissen führt.

Was also tun, wenn die interne Konfliktregulation einfach nicht gelingt, für einen persönlich nicht anwendbar scheint? Zum Chef gehen vielleicht, den Konflikt mit dem/der Kollegin von „höherer Stelle“ schlichten lassen? Das ist sicherlich eine mögliche Strategie, wenn man den Konflikt nicht „hinunterschlucken“ möchte oder kann, nicht im Sinne der obigen Forschungsergebnisse vergebungsfähig ist – und daher gleichzeitig auch die direkte Konfliktlösung unter Kollegen kein probates Mittel darstellt, der Konflikt sich in der eigenen Wahrnehmung sosehr verfestigt hat, dass man/frau beim jeweiligen Konfliktpartner „nur noch rot sieht“, kein sachliches Lösungsgespräch untereinander mehr möglich scheint. Doch was passiert, wenn man/frau es in einer solchen Situation auf sich nimmt, den/die Vorgesetzte/n um Hilfe zu bitten?

Hier ist man am besten beraten, sich einfach mal in die Position des/der betroffenen Vorgesetzten zu versetzen: Wie würde ich selbst an deren/dessen Stelle reagieren, wenn nun plötzlich ich hereinplatzen würde und mein Anliegen vom unlösbaren Konflikt mit dem/der Kollegen/in schildern? Nun, wünschenswert wäre es, wenn der Chef für diesen Fall mit guter Menschenkenntnis und einer strategischen Denkweise ausgestattet ist oder gar durch ein Konfliktlösungsseminar im richtigen Verhalten geschult. Er oder sie würde dann vielleicht im Umgang mit Ihnen und Ihrem Konflikt folgende 13 von Konflikttrainern zusammengestellte Tipps (oder zumindest den einen oder anderen davon) berücksichtigen und danach vorgehen:

1. Greifen Sie als Führungskraft nur in Konflikte zwischen Mitarbeitern ein, die sich (kurz-, mittel- oder langfristig) negativ auf die Leistung oder das Klima im Team auswirken.

2. Klären Sie, ob sich die Mitarbeiter des Problems bewusst und zur Konfliktlösung bereit sind.

3. Machen Sie den Mitarbeitern klar: Der Konflikt muss zumindest insoweit gelöst werden, dass er keine negativen Folgen für die Leistung und das Klima mehr hat – ansonsten hat dies auch negative Konsequenzen für die Mitarbeiter.

4. Drängen Sie sich jedoch nicht als Moderator auf. Lassen Sie dies die Mitarbeiter entscheiden.

5. Sorgen Sie dafür, dass sie während des Gesprächs nicht gestört werden.

6. Schaffen Sie zum Einstieg eine entspannte Atmosphäre, indem Sie das Gespräch positiv deuten, zum Beispiel: „Ich finde es prima, dass Sie bereit sind, zusammen eine Lösung zu finden.“

7. Definieren Sie mit den Konfliktpartnern Regeln für das Gespräch. Zum Beispiel, dass keine Vereinbarungen zu Lasten Dritter getroffen werden. Achten Sie auf die Einhaltung dieser Regeln.

8. Lassen Sie die Konfliktparteien nacheinander ihre Sicht der Dinge schildern: Kollege A beginnt, Kollege B stellt anschließend Verständnisfragen. Dann erst schildert B seine Sicht und A stellt Verständnisfragen.

9. Bitten Sie nach der Konfliktschilderung die Mitarbeiter, mit eigenen Worten zu beschreiben, wie ihr Kollege den Konflikt sieht. So vermeiden Sie Missverständnisse.

10. Erarbeiten sie gemeinsam eine Lösung. Achten Sie als Führungskraft darauf, dass die Lösung ein wechselseitiges Geben und Nehmen ist.

11. In Konfliktgesprächen kochen ab und zu die Emotionen hoch – das ist normal. Versuchen Sie dann, das Gespräch wieder auf eine sachliche Ebene zurückzuführen. Oder schlagen Sie eine kurze Pause vor.

12. Notieren Sie die getroffenen Absprachen schriftlich: die Lösung, wie die Umsetzung kontrolliert wird und was geschieht, wenn Vereinbarungen nicht eingehalten werden.

13. Vereinbaren Sie ein Folgegespräch, um zu überprüfen, ob der Konflikt tatsächlich gelöst ist.

Also, was meinen Sie? Trauen Sie es ihrem Chef zu, sich so oder so ähnlich konstruktiv für die Lösung Ihres Konfliktes einzusetzen? Wenn ja, dann versuchen Sie einfach mal tatsächlich, sich an Ihren Chef zu wenden. Und wenn nicht, dann wäre es vielleicht doch einen Versuch wert, selbst die hier angesprochenen Tipps in einem eigeninitiierten Gespräch direkt mit der anderen Konfliktpartei anzuwenden und zu sehen, ob man auf diese Weise besser auf einen gemeinsamen Nenner kommt! Denn das wäre in den meisten Fällen wohl sowieso die befriedigendste Lösungsvariante: Ein Konflikt, den man/frau weder „hinuntergeschluckt“ hat noch bis zum Chef eskalieren musste, sondern einfach selbst – gemeinsam mit der anderen Konfliktpartei – lösen konnte.

Zum Weiterlesen

Benjamin M. Wilkowski et al.: How Does Cognitive Control Reduce Anger and Aggression? The Role of Conflict Monitoring and Forgiveness Processes. In: Journal of Personality and Social Psychology  2010, Vol. 98, No. 5, 830–840

http://www.mittelstandscoach.de/nachricht/article/checkliste-zur-innerbetrieblichen-konfliktloesung.html

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