Hohe Arbeitsmotivation kann Krankenstandstage senken, besonders psychisch bedingte
Was können Arbeitgeber beitragen? Vor kurzem ist wieder die alljährliche Arbeitnehmer Krankenstandstagsstatistik des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger für das Vorjahr veröffentlicht worden und durch die Medien gegangen. Auffallend an den neuen Zahlen ist die Fortsetzung eines sich bereits in den letzen Jahren immer mehr abzeichnenden Trends: Die steigende Anzahl der psychisch bedingten Krankenstandstage. Alles in allem stolze 2,4 Millionen Fehltage wurden letztes Jahr bereits durch psychische Probleme verursacht. Bei einer insgesamt sogar leicht fallenden Zahl von jährlichen Krankenständen stieg die Zahl der psychischen Erkrankungen je 1000 ArbeitnehmerInnen jedoch von durchschnittlich 16,7 auf 21,3 – übrigens mit hohem Frauenanteil. Psychisch bedingte Krankenstandstage müssen nun aber nicht gleich immer mit einer handfesten psychischen Erkrankung zu tun haben. Oft ist es ein in seiner Zusammensetzung schwer genau bestimmbares Gemisch, das zu einem als „psychisch bedingt“ zusammenfassbaren Fernbleiben eines Mitarbeiters oder einer Mitarbeiterin vom Arbeitsplatz führen kann. Was hier so gut wie immer eine wichtige Rolle spielt, ist ein weiterer im Arbeitszusammenhang gerne gebrauchter und – eben ganz ähnlich wie „psychisch bedingt“ – oft nicht sehr spezifisch verwendeter Begriff: Die Motivation. Genauer: Die Arbeitsmotivation. Die Arbeitsmotivation ist de facto das am meisten mit Theorien bestückte Gebiet in der jüngeren Organisationsforschung. Klassiker auf dem Gebiet, wie z.B. die Herzbergschen Ausführungen zu Motivatoren und Hygienefaktoren oder die Erwartungs-Valenz-Theorie sind dementsprechend weithin bekannt. Doch wie kann man sich als Arbeitgeber die Ergebnisse der vielfältigen Forschungen zunutze machen, wie die MitarbeiterInnen in der Praxis tatsächlich besser motivieren und so letztlich auch ihre Krankenstandstage reduzieren? Auf diese „Gretchenfrage“ vieler Führungskräfte und PersonalistInnen wirft nun eine neue Motivationstheorie aus den USA ein aufklärendes Licht: Die „Self-Determination-Theorie, kurz SDT, macht sich eine der wesentlichsten Aussagen der Motivationsforschung zu nutze, nämlich, dass Motivation immer eine intrinsische sowohl als auch eine extrinsische Komponente hat. Einerseits gibt es also durchaus psychische Voraussetzungen, die im nicht-arbeitsbedingten psychischen Innen- und Umfeld eines Mitarbeiters liegen und Krankenstandstage verursachen können. Ein/e MitarbeiterIn ist nicht arbeitsmotiviert, weil er/sie an einer psychischen Erkrankung wie z.B. einer Depression leidet, im schlechtesten Fall auch noch gepaart mit schwierigen Umständen in seinem/ihren privaten sozialen Umfeld. Er/sie bleibt dann aufgrund dieser psychischen Krankheit und der damit zusammenhängenden bzw. diese noch verstärkenden psychosozialen Umstände daheim, meldet sich krank, weil er/sie die Arbeit aufgrund der Krankheit einfach nicht mehr als interessant und befriedigend empfinden kann, nicht mehr über die Möglichkeit verfügt, motiviert und motivierbar zu sein. Zum gleichen Ergebnis, nämlich einer hohen Anzahl von letztlich ebenfalls psychisch bedingten Krankenstandstagen, kann es aber genauso gut kommen, wenn die extrinsische Motivationskomponente in der Arbeit nicht stimmt. Die Arbeit bietet dem Mitarbeiter keinen Stimulus mehr, er entwickelt Widerwillen gegen die Arbeit, ihre Inhalte und die vorgegebenen Ziele oder ein so lähmendes Gefühl von Langeweile in der Arbeit oder aber auch das genaue Gegenteil, nämlich ein Gefühl der heillosen Überforderung durch die Arbeit. Die Arbeit kann einem solchen Mitarbeiter aus unterschiedlichen Gründen also nicht mehr genügend Anreize bieten, um aufgrund dieser mit dem – „extrinsisch bedingten“ – Arbeitsumfeld zusammenhängender Voraussetzungen weiterhin regelmäßig zur Arbeit zu kommen. Stattdessen nützt er/sie lieber das in der jeweiligen Organisationskultur gerade noch tolerierte Ausmaß an Krankenstandstagen maximal aus, bleibt so oft daheim, wie es ihm/ihr ohne schlimme negative Konsequenzen von Seiten des Arbeitgebers möglich ist. Schluss daraus: Wo der Arbeitgeber also bei schlecht motivierten und dadurch öfter erkrankenden MitarbeiterInnen am einfachsten und effizientesten ansetzen kann, ist die extrinsische Motivationskomponente. Auf den Annahmen der „Self Determination Theory“ (SDT) basierend wurde nun in Kanada eine Motivationsskala entwickelt, die Arbeitsmotivation in mehrere Komponenten zerlegt misst und auf diese Weise die extrinsischen Motivationsanteile in einer für den Arbeitgeber aufschlussreichen Form erklärt. Die zugrundeliegende Annahme der SDT sieht den Menschen als aktives, wachstumsorientiertes Wesen, das sich als ganzheitliches Selbst erleben möchte, kongruent eingebettet in ein soziales Umfeld. Das Streben der Menschen nach Wachstum unter diesen Voraussetzungen kann nun von der Umwelt behindert oder gefördert werden – eben auch und ganz besonders von seiner Arbeitsumwelt, sprich, von dem Ort, an dem ein Vollzeitmitarbeiter den Großteil seiner wachen Lebenszeit nun mal verbringt. Hierbei sind die folgenden von Seiten der Organisation steuerbaren Variablen besonders bedeutend: 1.) Die Wahrgenommene Unterstützung durch die Organisation – wie weit die Organisation den Mitarbeiter wertschätzt und sich um ihn kümmert, also der Mitarbeiter gesehen fast ein wenig wie ein Kind, das seine Eltern als mehr oder weniger führsorglich erlebt. 2.) Das Organisationsklima – wie MitarbeiterInnen sich von der Organisation behandelt fühlen, also wie sehr ihre Leistungen Anerkennung finden, sie ermutigt werden und Feedback für ihr Verhalten und ihre Ergebnisse bekommen, wie fair sie (im persönlichen Anlassfall, aber auch das Regelwerk betreffend) von der Organisation behandelt werden und wie viel Autonomie ihnen zugestanden wird. 3.) Das MitarbeiterInnen-Commitment, also deren Gefühl von emotionaler Bindung an die Organisation, gemessen auch daran, als wie hoch MitarbeiterInnen die emotionalen Kosten empfinden würden, die Organisation zu verlassen. 4.) Arbeitsplatzzufriedenheit – aufgeteilt in folgende Variablen: Zufriedenheit mit der Art der Arbeit, dem Gehalt und sonstigen Vergütungselementen, Aufstiegs- und Karrierechancen, Arbeitsbedingungen, Zufriedenheit mit Vorgesetzten und Kollegen und dem weiteren sozialen Umfeld in der Organisation, Arbeitsplatzsicherheit, geografische Lage des Arbeitsplatzes, individuell dem jeweils ausgefüllten Job beigemessener (Prestige-) Wert 5.) Arbeitsüberforderung – gemessen anhand des Auftretens von Rückzugsverhalten eines Arbeitnehmers, Hyperanspannung und -aufmerksamkeit, generalisierte Angst in und vor der Arbeit und dem Auftreten körperlicher Beschwerden. 7.) Mitarbeiterfluktuation– gemessen durch Fragen bezüglich der Absicht, die Organisation überhaupt zu verlassen oder aber auch, eine Stelle außerhalb der bisherigen Abteilung anzunehmen beziehungsweise eine neue Stelle innerhalb der derzeitigen Abteilung anzustreben. Insgesamt ist das Festmachen davon, wie es mit einer solchen Latte an Voraussetzungen für bessere extrinsische Motivation von ArbeitnehmerInnen im eigenen Unternehmen bestellt ist, natürlich eine Vorgabe für ArbeitgeberInnen, die sich ganz schön „gewaschen“ hat. Doch muss ja nicht jedes Unternehmen gleich so perfekt sein und es anstellen wie die ganz großen, IBM zum Beispiel, die jährlich in einer unter allen MitarbeiterInnen weltweit auszufüllenden Arbeitszufriedenheits-Umfrage die meisten der oben genannten Punkte abzudecken versuchen und dann darauf aufbauende, sehr komplexe Langfristmaßnahmen für das gesamte Unternehmen aus den Ergebnissen ableiten. Oft genügt es für Führungskräfte oder Personalisten, die dem Phänomen des/r gut motivierten Mitarbeiters/in auf die Spur kommen wollen, wohl auch schon, einige der von der SDT-Work-Motivation-Skala benutzen Variablen im Kopf zu haben, wenn sie mit MitarbeiterInnen über ihre Motivationslage sprechen – und mögliche Ursachen von geringer Motivation oder von vielen, konkret etwas schwer erklärlichen Krankenstandstagen aufdecken möchten und letztlich gemeinsam mit dem/der betroffenen MitarbeiterIn bereinigen. Zum Weiterlesen: Maxime A. Tremblay et al.: Work Extrinsic and Intrinsic Motivation Scale: Its Value for Organizational Psychology Research. Canadian Journal of Behavioural Science 2009, Vol. 41, No. 4, 213–226 OTS-Presseaussendung 20.05.2010 (www.ots.at) Share | |